Bernard de Nonancourt hatte viel erreicht,
seit er 1949 mit achtundzwanzig Jahren
die Leitung von Laurent-Perrier übernommen
hatte. Unmittelbar nach Kriegsende war
das Champagnerhaus mit achtzigtausend verkauften
Flaschen in einer prekären Lage – zehn
Jahre später waren es schon zweieinhalbmal so
viele, die den Keller im beschaulichen Tours-sur-
Marne verließen. Doch das war längst nicht genug.
Bernard de Nonancourt wollte mehr verkaufen, er
wollte bessere Weine verkaufen – und an der Spitze
sollte das »Beste vom Besten« stehen. Nachdem
er nach Jahren des Experimentierens mit Kellermeister
Edouard »Père« Leclerc 1959 den Durchbruch
geschafft hatte, versandte der ehemalige
Résistance-Kämpfer und Panzerkommandant eine
Liste möglicher Namen für den neuen Champagner
an renommierte Freunde, darunter einen einstigen
Kampfgefährten. Der antwortete postwendend:
»Grand Siècle natürlich, Nonancourt. In Freundschaft,
Charles de Gaulle.« Im Jahr darauf wurde
der Champagner der Öffentlichkeit vorgestellt –
anlässlich des 300. Jubiläums der Hochzeit von
Sonnenkönig Ludwig XIV. mit Maria Theresia von
Spanien, eines der glanzvollsten Ereignisse eben
dieses Grand Siècle, wie die Franzosen ihr 17. Jahrhundert
bezeichnen. Klein zu denken konnte man
Bernard de Nonancourt wahrlich nicht vorwerfen.
Tatsächlich ist die Geschichte des Grand
Siècle ohne ihn ebenso wenig denkbar wie die des
Champagnerhauses Laurent-Perrier insgesamt.
Wenn Stéphane Dalyac, der derzeitige Vorstandsvorsitzende
der Maison, heute sagt, Laurent-Perrier
sei »eigentlich 1938, mit der Übernahme durch die
Familie de Nonancourt, gegründet worden«, so
möchte man das noch weiter zuspitzen und das
Gründungsdatum auf den 1. Januar 1949 legen,
den Tag, an dem Bernard de Nonancourt die Verantwortung
in Tours-sur-Marne übertragen wurde.
Denn von da an folgten Wachstum und Innovationen
in atemraubender Geschwindigkeit. Und es entstand
das Haus, wie wir es heute kennen: der viertgrößte
Erzeuger und größte Familienbetrieb der
Champagne, der trotz Börsennotierung in erster
Linie qualitätsgetrieben agiert und ein breites
Portfolio an ausgezeichneten, in der Spitze sogar
herausragenden Produkten aufweist.
Und doch sind weder das Haus noch seine
Champagner ohne die Vorgeschichte zu begreifen.
Die begann 1812, als der Küfer André Michel Pierlot
aus Chigny-Les-Roses ins gut zwanzig Kilometer südlich
gelegene Tours-sur-Marne umzog, weil der Ort
für den Versand von Fässern nach Belgien strategisch
günstiger lag. Sein in diesem Jahr geborener Sohn
Alphonse erwarb bereits mit zwanzig Jahren seine
erste Weinbergsparzelle in Mutigny nördlich von
Aÿ, und gemeinsam mit Emile Le Roy gründete er
1842 das Champagnerhaus Le Roy Fils et Pierlot
und, nachdem die Partnerschaft zerbrach, schließlich
A. Pierlot & Cie. In diesen Jahren trat Aurélie
Zénaïde Laurent in die Dienste des Junggesellen,
ebenso einige Jahre später ihr 1843 geborener Sohn
Eugène, der schließlich zum Prokuristen und Kellermeister
des expandierenden Betriebs aufstieg. 1858
kaufte Alphonse Pierlot in Tours-sur-Marne ein Haus
mit Weinkeller nahe der Parzelle Les Plaisances –
den heutigen Sitz der Maison Laurent-Perrier. Nach
seinem Tod 1881 erbte Ziehsohn Eugène Laurent
das Unternehmen.