SEHNSUCHT IN FLASCHEN
»SPERSS« NENNT MAN IN PIEMONT DIE SCHWÄRMEREI FÜR EINE VERKLÄRTE VERGANGENHEIT. ALS ANGELO GAJA DEN REBBERG IM BAROLO-GEBIET KAUFEN KONNTE, VON DEM SEIN VATER GIOVANNI SEIT SEINER JUGEND SCHWÄRMTE, GAB ER DEM WEIN VON DORT DIESEN NAMEN UND DREHTE DAMIT AUF SEINE WEISE DIE ZEIT ZURÜCK
Von RAINER SCHÄFER Fotos THILO WEIMAR
Zur Begrüßung streckt Gaia Gaja ihre Zunge heraus. So zeigt sie, womit sie sich an diesem Vormittag schon beschäftigt hat: Das Organ und einige Zähne sind violett eingefärbt. Wer Fassproben von Rotweinen ver- kostet, wie die Winzerin das heute mit ihrem Vater Angelo und ihrer Schwester Rossana tut, kann das nach einiger Zeit nicht mehr verbergen. Angelo Gaja gilt als König des Barbaresco, mit dem er sein Weingut in Piemont weltberühmt gemacht hat. Dieses Mal jedoch spielt der Barbaresco nur eine Nebenrolle, der Star dieser Geschichte ist der Barolo Sperss, der eine ganz besondere Bedeutung für die Familie hat.
Kurz darauf war Giovanni bei der Lese in Barbaresco, wo die Gajas schon seit 1859 Weinbau betreiben – angefangen haben sie mit gerade mal zwei Hektar Reben, heute sind es mehrere hundert. Der Winzersohn musste sich einem strengen Tages- ablauf unterwerfen: Morgens um sechs stand er auf und erntete dann Trauben, bis das Abendessen auf den Tisch kam. »Es war harte Arbeit«, weiß Angelo Gaja, »aber es waren andere Jugend- liche dabei, mit denen er sich gut verstand.« Doch Giovanni litt darunter, dass die gestrenge Mutter ihn an der kurzen Leine hielt – während sich die anderen abends im Dorf auf der Piazza treffen und vergnügen konnten, schickte sie ihn früh ins Bett.
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Der Altmeister als Zentrum der Familie: Seine Frau Lucia und die Kinder Gaia, Rossana und Giovanni (v. l.) nehmen beim Spaziergang in den Gassen von Barbaresco Angelo Gaja in die Mitte
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Erschienen am: 10. Dezember 2022
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